Wie sich Stress auf die Zyklen der Sexualhormone auswirkt und welche Folgen für unsere Psyche daraus entstehen können

und zum Lesen des Beitrags animieren): Psychischer Stress hat viele Auswirkungen auf die hormonellen Abläufe unseres Körpers. Wenn das Level unseres Stresshormons Cortisol zu lange zu hoch ist, werden die Sexualhormone in ihren natürlichen Zyklen gestört und es können sich negative Folgen einstellen. Diese zeigen sich auf physischer und auf psychischer Ebene.

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Eine kurze Anmerkung vorneweg. Zur besseren Lesbarkeit, ist in diesem Text bei Menschen mit Eisprung von Frauen und Personen mit Spermienproduktion von Männern die Rede. Trotzdem muss erwähnt bleiben, dass die individuelle Geschlechtsidentität von biologischen Faktoren unabhängig sein kann.

Was ist Stress?

Was bedeutet „Stress“ eigentlich genau? Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung meint Stress die starke Beanspruchung eines Organismus durch innere oder äußere Reize. Diese Reize werden als Stressoren bezeichnet und erfordern vom Organismus eine Anpassungsreaktion. Es lässt sich in positiven Stress (Eustress) und negativen Stress (Disstress) unterscheiden. Eustress wird durch Umstände hervorgerufen, die als bewältigbar empfunden werden. Disstress hingegen beschreibt einen unangenehmen Zustand und ruft Angst oder Hilflosigkeit hervor. Es entstehen körperliche Reaktionen, welche als „Fight“, „Flight“ oder „Freeze“ bezeichnet werden. Hierfür werden in Sekundenschnelle vom Körper Energiereserven zur Verfügung gestellt.

In diesem Blogeintrag soll es um die Effekte gehen, die das Empfinden von negativem Stress auf die Zyklen der Sexualhormone hat.

Was sind unsere Sexualhormone?

Alle Sexualhormone werden von allen Geschlechtern produziert, allerdings überwiegen bei Frauen die weiblichen und bei Männern die männlichen Sexualhormone. Sie steuern die Ausprägung und Aufrechterhaltung der Geschlechtsmerkmale, die Spermienproduktion beim Mann und den Zyklus der Frau.

Das bekannteste und wichtigste Sexualhormon bei Männern ist das Testosteron. Neben der Ausbildung männlicher Geschlechtsmerkmale und der Spermienproduktion fördert Testosteron auch den Aufbau von Muskelmasse. Ein Mangel an Testosteron kann zu reduzierter geistiger Leistungsfähigkeit führen und sich negativ auf die allgemeine Stimmungslage auswirken.

Die wichtigsten Sexualhormone von Frauen sind Östrogen und Progesteron. Sie werden zyklusabhängig in den Eierstöcken der Frau gebildet und sind Gegenspieler. Ihre Konzentration verändert sich also immer gegenläufig. Kurz vor dem Eisprung ist der Östrogen-Spiegel im Blut besonders hoch. Danach ist bis zum Einsetzten der Periode Progesteron das vorherrschende Sexualhormon. Gemeinsam sind sie für den Ablauf des weiblichen Menstruationszyklus zuständig. Während Östrogene eher eine psychische Stimulation bewirken, hat Progesteron tendenziell psychisch dämpfende Eigenschaften. Östrogen wird mit verbesserter Stimmung und kognitiver Leistungsfähigkeit in Zusammenhang gebracht. Progesteron hat dagegen eine beruhigende Wirkung und kann Entspannung erleichtern. Dies kann sich positiv auswirken, weil Angst- oder Stressreaktionen eingedämmt werden können.

Schon gewusst?

Nicht nur die Konzentration weiblicher Sexualhormone verändert sich in Zyklen. Auch Testosteronlevel schwanken über den Tag, mit einem Peak in den frühen Morgenstunden und über einen Monat hinweg, mit einem Peak alle 30 Tage. Damit haben auch Männer einen Zyklus ihres Geschlechtshormones!

Wie wirken sie zusammen?

Es ist wichtig zu erwähnen, dass in diesem Artikel sehr komplexe hormonelle Prozesse vereinfacht dargestellt werden. Die Wirkungsrichtungen sind im Interesse aktueller Forschung, die sich ständig weiterentwickelt und neue Erkenntnisse gewinnt. Bei den Abläufen im Körper spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. Dazu gehören zum Beispiel genetische Veranlagung, Ernährung oder Lebensstil.

 

Wie wirkt Stress hormonell?

Es existieren zwei Stresssysteme im Körper. Das Schnellere von beiden arbeitet auf elektronischer Basis und schüttet Adrenalin aus. Das etwas Langsamere arbeitet auf hormoneller Ebene über den Blutkreislauf und schüttet Cortisol aus.

Adrenalin wird zwei bis drei Minuten nach Konfrontation mit einem Stressor ausgeschüttet und macht den Menschen psychisch und physisch wach. Der Körper wird bereit für eine physische Reaktion, indem sich unter anderem eine Steigerung der Herzfrequenz einstellt. So kann zum Beispiel einem nahenden Auto schnell ausgewichen werden. Auch auf psychischer Ebene wirkt sich Adrenalin aus. Das kann sich in Aggression oder Angstgefühlen zeigen. Außerdem erhöht es die Konzentrationsfähigkeit und führt häufig nach einem Adrenalinschub zu Glücksgefühlen. Das kann sich in einem rauschähnlichen Zustand zeigen. Man fühlt sich unbesiegbar und leistungsstark. Sportler und Sportlerinnen können regelrecht süchtig danach werden und wollen dieses Gefühl immer wieder erleben.

Cortisol ist im psychologischen Feld interessanter und viel untersucht. Seine Wirkung zeigt sich auf psychischer Ebene und kann bei andauernd hohem Level zu psychischen Krankheiten führen. Zunächst macht Cortisol belastbar und fit, wenn viel ansteht. Bei chronischem Stress, andauernden psychischen Belastungen oder sogar zu viel Sport dreht sich der positive Effekt von Cortisol um. Aus gutem Stress wird schlechter Stress. Die Folgen können Schlafstörungen, innere Unruhe oder Gewichtszunahme sein. Ein dauerhaft hoher Cortisolspiegel ist assoziiert mit Krankheiten wie Angststörungen, Burnout oder Depression. Es ist wichtig zu betonen, dass hier nur von einem Zusammenhang gesprochen werden kann. In welche Richtung die Wirkung geht, kann die Forschung noch nicht erklären. Die Ursachen psychischer Erkrankungen sind vielfältig und individuell.

Anhaltender Stress und damit eine hohe Produktion von Cortisol kann dazu führen, dass die Produktion anderer Hormone in den Hintergrund rückt. Das kann auch die Sexualhormone betreffen.

Wie wirkt Cortisol auf die Zyklen der weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron?

Weibliche Zyklusstörungen sind weit verbreitet und etwas, das beinahe jede menstruierende Person schon erlebt hat. Die Forschung ist sich mittlerweile einig, dass der Großteil der Gründe für Zyklusstörungen im Stress der Frauen liegt. Durch erlebten Stress kann die Produktion der weiblichen Sexualhormone durcheinandergebracht werden. Sie können sogar so weit gehindert werden, dass sie ihren Aufgaben nicht mehr nachgehen können. Dann findet beispielweise ein Eisprung nicht statt oder die Regelblutung bleibt aus. Tatsächlich ist es genau das, was die Antibabypille und alle hormonellen Verhütungsmittel künstlich herbeiführen. Sie unterdrücken die natürlichen Schwankungen der weiblichen Sexualhormone und ermöglichen es so, dass der Ablauf einer Schwangerschaft nicht eingeleitet wird.

Bei einem erhöhten Cortisollevel bindet Cortisol an die Rezeptoren für Progesteron. Ein Progesteronmangel ist die Folge. Wie bereits erwähnt, sind Progesteron und Östrogen Gegenspieler. Wenn das Progesteronlevel niedrig ist, ist das Östrogenlevel dementsprechend erhöht.

Ein niedriges Level an Progesteron vermindert dessen Einfluss auf die Psyche. In Studien wurde damit eine geringere Lebenszufriedenheit, erhöhte depressive Symptome und eine erhöhte Stresswahrnehmung in Verbindung gebracht (Süss, 2021). Das erklärt auch, wieso sich menstruierende Personen in der Phase nach dem Eisprung, in welcher Progesteron vorherrscht, als belastbarer wahrnehmen. Die beruhigende Wirkung von Progesteron erleichtert den Umgang mit stressigen Situationen. Die Stresswahrnehmung ist niedriger und man lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.

Die Dominanz von Östrogen kann sich sowohl physisch als auch psychisch vielseitig zeigen. Eine absolute Östrogendominanz stellt sich beispielsweise in der Pubertät oder den Wechseljahren vorübergehend ein. Im Zusammenhang mit Stress entsteht allerdings eine relative Östrogendominanz daraus, dass der Progesteronspiegel sinkt. Zu den Folgen können Schlafstörungen, geringes sexuelles Verlangen oder Kopfschmerzen gehören.

Diese Folgen können sich auch durch eine hormonelle Verhütungsmethode einstellen. Da die Sexualhormone von ihren natürlichen Schwankungen abgehalten werden, kann sich ihre positive Wirkung auf die Psyche nicht entfalten. Es gibt sogar Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Einnehmen hormoneller Verhütungsmittel und Depressionen zeigen.

Eine wichtige Anmerkung: die Gründe für Östrogendominanz und Progesteronmangel sind vielfältig, oft nicht durch Stress ausgelöst und sollten individuell medizinisch abgeklärt werden!

Wie wirkt Cortisol auf die Zyklen des männlichem Sexualhormons Testosteron?

Auch die Testosteronproduktion kann von einem hohen Cortisol Level beeinflusst werden. Hier gilt das gleiche Prinzip, wie bei den weiblichen Geschlechtshormonen. Der Körper ist beschäftigt damit, Cortisol auszuschütten und das Testosteronlevel sinkt. Wie oben erwähnt, kann sich ein Mangel an Testosteron negativ auf die Spermienproduktion und die allgemeine Stimmungslage auswirken. Experimente mit Mäusen haben gezeigt, dass chronischer Stress sogar das Genmaterial der Spermien nachhaltig verändern kann. So können Stressfolgen an den Nachwuchs weitervererbt werden. Wie sich das genau bei den Nachkommen zeigt, wird aktuell noch erforscht. Es gibt aber Hinweise darauf, dass sie weniger belastbar sind und schlechter mit Stress umgehen können.

 

Key-Take-Away

Psychischer Stress hat viele Auswirkungen auf die hormonellen Abläufe unseres Körpers. Das Hormon Cortisol wird dadurch ausgeschüttet. Dieses macht uns belastbar und fit. Wenn das Level an Cortisol jedoch zu lange zu hoch ist, können sich negative Folgen einstellen.

Der Körper ist damit beschäftigt, Cortisol auszuschütten und andere Hormonlevel werden in ihren Zyklen gestört. Wenn die Sexualhormone davon betroffen sind, können diese nicht in gewohnter Weise ihren Aufgaben nachkommen. Das macht sich psychisch und physisch bemerkbar.

Physische Folgen können ein Ausbleiben der Periode, des Eisprungs oder der Spermienproduktion sein. Psychische Folgen umfassen erhöhte Gereiztheit, erhöhte Stresswahrnehmung und geringeres Wohlbefinden.

Stress so gering wie möglich zu halten leistet also ein Beitrag, zu unserem physischen und psychischen Wohlergehen und dem unserer Nachkommen!

Quellen:

Süss H., Will, J., Grub, J., Ehlert, U. (2021). Estradiol and progesterone as resilience markers? – Findings from the Swiss Perimenopause Study. Psychoneuroendocrinology. Volume 127, 105177, ISSN 0306-4530, https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2021.105177.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0306453021000512?via%3Dihub

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